„Das ewige Licht haben wir gemeinsam“

„Ich war erst zwei Mal im Dom“, meint Charlotte Hermann beim Betreten der größten Kirche Oberösterreichs. Die erste Gelegenheit bot sich bei der Amtseinführung von Bischof Manfred Scheuer. „Wir haben ein sehr gutes Verhältnis der Religionsgemeinschaften untereinander“, betont sie. „Man geht sehr respektvoll miteinander um und sucht einander.“
Man sieht sich oft
So sind Katholiken auch zu Gast in der Synagoge. Diese liegt in der Betlehemstrasse in Linz, unmittelbar neben der Katholischen Privatuniversität. Kann man den Mariendom ungehindert betreten, braucht es für die Synagoge eine Genehmigung und Polizeischutz. Obwohl die jüdische Gemeinde in Oberösterreich nur 50 Mitglieder zählt, ist ihre Sicherheit immer wieder bedroht.
Die Familie vermittelt den Glauben
„In unseren Synagogen ist es nicht so ruhig, da wird mehr getratscht“, schmunzelt Charlotte Herman. Männer und Frauen sitzen in traditionellen Gemeinden wie der Linzer nach wie vor getrennt. Traditionell wird am Freitagabend der Shabbat empfangen. Dazu trifft man sich zum Gebet in der Synagoge. Viele, wie auch Charlotte Herman, sind mit den traditionellen jüdischen Ritualen in der Familie groß geworden.
Das Gefühl von Bedrohung
Ihr Vater, geboren in Czernowitz, hatte ein Konzentrationslager überlebt, ihre moldawische Mutter sprach nicht viel über die Zeit der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Doch zur jährlichen Gedenkveranstaltung der Befreiung des KZ Mauthausen nahm die Mutter ihre Kinder immer mit. Charlotte Herman studierte in Israel Zahnmedizin, heiratete einen Israeli und kam 1991 nach Linz zurück. Während des Golfkrieges war die Bedrohung für die junge Familie zu groß geworden. Ihre drei Söhne leben inzwischen in New York, Israel und Berlin.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
„Obwohl ich ganz gut Hebräisch spreche, verstehe ich nicht alle Texte, die in der Synagoge gelesen werden“, gesteht Charlotte Herman. Anders als im katholischen Gottesdienst werden alle Thora-Texte nicht muttersprachlich, sondern auf Hebräisch gelesen. Wenn ein Kind das gerade seine Bar Mizwot, vergleichbar der katholischen Firmung hatte, liest es den sogenannten Wochenabschnitt im Shabbat-Gottesdienst.
Der Glaube ist ewig
Eine Verpflichtung in die Synagoge zu gehen, kennt das Judentum so wenig wie ein zentrales Lehramt. Das „Ewige Licht“, das in jeder Synagoge beim Thoraschrein brennt, symbolisiert „die Ewigkeit des jüdischen Glaubens“, erklärt Charlotte Herman. Das mindert nicht ein Grundgefühl der Bedrohung, das gerade angesichts der jüngsten Entwicklungen im Nahen Osten bei Charlotte Herman auch von Angst um ihre Familie in Israel genährt wird.
Text: Christine Haiden