Das war die Severin-Akademie 2025
Unter dem Titel „Technik als Trost. Verheißungen Künstlicher Intelligenz im Kontext von Zukunftserzählungen“ näherte er sich als Soziologe dem Thema KI und Gesellschaft mit dem Schwerpunkt der Bedeutungszuschreibungen. Über 90 interessierte Zuhörende fanden ich im Hörsaal der Katholischen Privat-Universität Linz.
Erschöpfte Welt und Zukunftsarmut
Aus empirischen Studien weiß man, dass wir in einer erschöpften Welt leben und diese Erschöpfung zumindest auf drei Ebenen spürbar ist. Einerseits auf einer persönlichen, individuellen Ebene, wo sie Ausdruck in Überforderung und einer wachsenden Zahl an Burn Outs findet. Dann auf einer sozial gesellschaftlichen und kollektiven Ebene und auf der planetaren Ebene, wo Ressourcenknappheit und globale Erwärmung zu immer mehr Katastrophen führen. Studien zeigen, dass junge Menschen eher resignieren und nicht daran glauben, dass die Welt beherrschbar ist. Sie sehen zu großen Teilen keine Problemlösungsfähigkeit in sich selbst und diese nicht vorhandene Selbstwirksamkeit führt zu Zukunftsarmut. In diese Lücke treten die Zukunftserzählungen über Künstliche Intelligenz mit ihren Versprechen, das Leben einfacher zu machen, uns von Lasten zu befreien und uns zu erlösen. Aufbruchsstimmung durch Technologiegläubigkeit gab es auch schon früher, zum Beispiel in den 50er/60er Jahren, wo die Raumfahrt ganze Generationen beflügelte.
KI als Kulturelement
Stefan Selke mahnt, die Technologien der Künstlichen Intelligenz ernst zu nehmen. Sie sind längst nicht mehr nur Werkzeug, sondern gestaltender Teil unseres Lebens, ein Kulturelement. Er vergleicht die Entwicklung dieser Technologie mit der Elektrizität, die zuerst auch nur in Theatern verbaut wurde, dann langsam in Straßenlaternen und schließlich den Einzug in alle Wohnräume fand und heute nicht mehr wegzudenken ist. Auch die KI prägt heute schon unsere Kultur, hilft und vereinfacht manche Dinge. Es werden menschliche Roboter entwickelt und die KI dient als Gesprächspartnerin und dabei verschieben sich langsam die Grenzen was bisher als akzeptiert und normal galt.
Zukunftsverheißungen
Die Zukunftsversprechen von neuer Technologie sind fast immer eine Steigerung der Effizienz, eine Komforttechnologie, ein Schlaraffenland in dem unser Leben mühelos ist, weil die KI mit uns oder für uns Entscheidungen trifft und uns unterstützt. Die Basis ist der Glaube an Zahlen, daran dass man Leben und Mensch-Sein in Muster zerlegen kann. Doch der Mensch ist organisch und es wäre ein großer Preis, wenn die Gesellschaft sich zukünftig darauf einigt, alles nur nach Effizienz und Quantifizierung zu steuern. Trotz aller ethischer Fragen und fehlender Folgenabschätzung zeigt der Glaube an die KI mancher Menschen religiöse Züge. Das Heilsversprechen taucht immer öfter in Erzählungen auf, es wurde sogar schon eine KI Church gegründet mit dem Glauben an etwas, das allwissend scheint, unverständlich ist und Heil im Hier und Jetzt verspricht.
Wo sind die sozialen Utopien?
Doch wenn wir KI als gestaltendes Element unserer Gesellschaft akzeptieren bleibt die große Frage, wo Zukunftsreichtum ohne Technologieversprechen zu finden ist. Wir haben vergessen, dass es soziale Utopien braucht, und sollten uns auf die Suche machen nach Räumen und Netzwerken, wo wir Zukunft ohne Technikversprechungen erzählen und denken, war die abschließende Forderung des Referenten.
Es war ein äußerst spannender Abend, der KI einmal von einer anderen Blickrichtung beleuchtete. Umrahmt wurde der Vortrag von Dr. Selke mit einleitenden Worten des Vorsitzenden des Forum St. Severin, Dr. Paul Grünbacher und wunderbarer Musik von den Studierenden der Bruckner Universität Christoph Meier und Timon Grohs an Cello und Gitarre.
Zum Referenten:
Prof. Dr. Stefan Selke lehrt „Gesellschaftlicher Wandel“ an der Hochschule Furtwangen. Im Rahmen seiner Forschungsprofessur „Transformative und öffentliche Wissenschaft“ leitet er zudem das Public Science Lab. Aktuelle Forschungsthemen sind Zukunftstechnologien, Zukunftserzählungen und Zukunftsdesign. Selke studierte zunächst Luft- und Raumfahrttechnik und promovierte danach in Soziologie. Als disziplinärer Grenzgänger und öffentlicher Wissenschaftler ist er als Redner, Buchautor sowie als Gesprächspartner der Medien regelmäßig auch außerhalb der Wissenschaft präsent.
Weiterführende Informationen: